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Ergebnisorientierte und prozesshafte Fotografie

Als Fotograf ist man vom Licht (und damit von der Zeit) abhängig. Das heißt in der Theorie: Je länger und öfter man einen Ort immer wieder besucht, desto höher die Chance, immer neue und bessere Lichtsituationen zu erwischen. Doch auch alles andere verändert sich mit der Tageszeit; je mehr Zeit man aufwendet, desto mehr unterschiedliche Situationen lernt man am selben Ort kennen.

Wer mit Licht malt, nutze seine Zeit

Wenn man durch äußere Faktoren eingeschränkt ist (beispielsweise durch ein Modell, das nicht den ganzen Tag in der Kälte stehen kann), muss man seine Zeit im Vorhinein investieren und herausfinden, wann die besten Bedingungen herrschen. Allerdings ist es natürlich immer besser, mehr Zeit zur Verfügung zu haben; falls man sich diesen Luxus nicht leisten kann, kann man vor Ort nur eines tun, um sicher zu gehen: Mehr Bilder machen!

Woher soll man wissen, ob das Foto, das man gerade gemacht hat, das beste des Tages wird? Ich selber habe oft den Fehler begangen, nach einer besonders schönen oder interessanten Situation einzupacken und heimzugehen, wo doch, objektiv gesehen, nichts darauf hinwies, dass es nicht noch besser hätte werden können! Es ist also immer angeraten, die verfügbare Zeit bis zum Ende auszureizen.

Spray and pray

Soziale Medien für Fotografen zeigen generell das beste Ergebnis, das jemand erzeugen konnte. Klar, denn wer sich als Profi repräsentieren möchte, sollte keine Fehler zeigen, so der gängige Gedankengang. Falsch wäre es, sich von diesen Dingen entmutigen zu lassen – nur, weil man keine Arbeitsschritte oder Progressionen erkennen kann, bedeutet das nicht, dass es diese nicht gibt.

Fotografen wie Chase Jarvis sagen offen, dass in einer Woche gut einige Zigtausend Bilder zusammenkommen, aus denen dann die besten ausgewählt und präsentiert werden. Ob es so viele sein müssen, sei jedem selbst überlassen und ist vor allem projektabhängig, aber dieses Schema wiederholt sich unter professionellen Fotografen in ähnlicher Weise. Dies ist ein gut nachvollziehbarer Gedankengang: Wer mehr Bilder macht, hat bessere Chancen, dass auch mehr gute dabei sind.

Traum und Realität

Wenn es nach mir ginge, würde ich immer lieber zu einem anderen Zeitpunkt zu einem Ort oder Modell zurückkehren können, als alles gleich am ersten Tag richtig machen zu müssen.
Der Vorteil dabei ist, dass man zwischen den Sessions einen Lerneffekt hat – man hat Zeit, sich die Bilder in Ruhe anzusehen und Verbesserungen zu planen.
Wenn man an einem anderen Tag zurückkehrt, können sich viele Dinge verändern: Die Laune des Modells, das Wetter, das Licht…

Die Realität hingegen sieht für viele Fotografen so aus, dass sie diese Freiheit nicht haben. Sie müssen alle Bilder in einem Zeitfenster von höchstens einigen Stunden im Kasten haben.
Hier ist der Tipp, möglichst viele möglichst gute Fotos zu machen, sehr berechtigt. Der Großteil der investierten Zeit verschiebt sich dadurch auf nach dem Shooting.

Zeit richtig investieren

Das, was ich hier als zwei klar voneinander getrennte Thesen oder Ansätze aufschreibe, existiert so natürlich nicht. Wer eine fotografische Auftragsarbeit mit kleinem Zeitrahmen erledigen muss, wird immer versuchen, vorher genau zu planen, um dann seinen Prozess zu verfolgen und notfalls Verbesserungen vorzunehmen.
Genauso wird andererseits ein Fotograf, der sich eines mehrwöchigen Projektes annimmt, jedes Mal, wenn er dafür fotografiert, so nahe wie möglich an den Abschluss des Projektes kommen wollen.
Letztendlich ist alles von der eigenen Arbeitsweise und dem behandelten Thema abhängig – man kann auch zu genau planen, und man kann auch unnötig viele Bilder machen! Hier gilt es, die eigene Zeit richtig einzuteilen und die Balance zu finden, die am besten zum eigenen fotografischen Workflow passt.

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